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„Überfremdung“ in der SWD

24. September 2010

Ist das nur die selektive Wahrnehmung oder werden wirklich in letzter Zeit verstärkt berufsethische Fragestellungen in der bibliothekarischen Blogosphäre diskutiert? Auf jeden Fall ist das eine erfreuliche und spannende Entwicklung..

Im netbib weblog gibt es einen Post zum – historisch belasteten – Eintrag „Überfremdung“ in der Schlagwortnormdatei (SWD), der aktuell z.B. für das neue Sarrazin-Buch vergeben wird. Der Autor kritisiert die gedankenlose Übernahme speziell bei Katalogisaten öffentlicher Bibliotheken. Auch im Jakoblog wird die Schlagwortvergabe kritisiert:

Dass Medien und Politiker dabei helfen, bislang geächtete, menschenverachtende Rhetorik zu verbreiten, ist ja schon schlimm genug – aber Bibliotheken?!

Der Begriff selber wurde 1993 von der Gesellschaft für deutsche Sprache zum „Unwort des Jahres“ gewählt, in der Begründung heißt es:

„Ausschlaggebend für die Kritik an diesem auf den ersten Blick harmlos erscheinenden Wort war die Feststellung, dass „Überfremdung“ nach wie vor im Sinne einer rassistischen Uminterpretation verwendet wird … „Überfremdung“ wurde zur Stammtischparole, die auch die undifferenzierteste Fremdenfeindlichkeit „argumentativ“ absichern soll.“

Sprache spiegelt ja immer Machtverhältnisse, gesellschaftliche Strömungen und Überzeugungen wieder und kann nie neutral sein. Wir als Berufsgruppe haben uns die Aufgabe gesetzt, Informationen und damit die Welt durch Sprache zu beschreiben. Aus diesem Grund ist immer wieder eine kritische Reflexion unseres Umganges mit Worten wichtig und angebracht.

Ein berühmtes Beispiel aus dem amerikanischen Raum ist etwa Sanford Berman (der auch schon einmal als „bibliographic warrior“ bezeichnet wurde). Berman setzte sich gegen Rassismus und Sexismus in den Library of Congress Subject Headings ein, z.B. in seinem 1971 erschienen Werk „Prejudices and Antipathies: a Tract on the LC Subject Heads Concerning People“. Das war die Zeit als Homosexualität noch „Sexual Deviations“ als Oberbegriff hatte. Berman selbstwurde auch stark kritisiert und musste 1999 in Frühpension gehen[1]

In Deutschland wurde der kritische Umgang mit Sprache beim Katalogisieren besonders um Umfeld von Akribie diskutiert. Im Laurentius, ab es z.B. 1991 einen Artikel über „Die Nicht-Gleichbehandlung von Frauen und Männern in der Schlagwortnormdatei“ [2].

[1]
Roberto, K., & West, J. (Hrsg.). (2003). Revolting librarians redux : radical librarians speak out. Jefferson N.C.: McFarland & Co., S. 120
[2]
Jank, D. (1991). Die Nicht-Gleichbehandlung von Frauen und Männern in der Schlagwortnormdatei – ein offener Brief. Laurentius, (2), 89-91.


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